„CROMAGNON"
Herbert Langmüller, Fotoarbeiten

4. Juni - 27. Juni 1998, 1040 Wien, Atelier-Galerie 3A ,
Eröffnungsrede: Mittwoch, 3. Juni 1998, Dr. Günther BERGER


Die neun Kulturschichten bzw. Fundhorizonte

Die tiefste Schicht (KS1) enthielt kein aussagefähiges Fundmaterial. Die darüberfolgenden Kulturschichten (K2 - K4) teilt die Kulturchronologie dem Aurignacien, und die daraufliegenden Kulturschichten (KS5 - KS9) dem Gravettien zu. Die unterste Einheit D (42.000 - 39.500 v. Chr) entstand in gemäßigtem, milden, feuchten Klima. Dieses wird für unseren Donauraum als Willendorfer Interstadial (42.000 v. Chr.) bezeichnet. Die darüberfolgenden Sedimenteinheiten (39 / 38.000 - 28.500 vor Chr.) bilden eine Abfolge von Löß- und Bleichhorizonten, die teils extreme Kälteperioden mit Permafrost etc. anzeigen. Dazwischen liegen drei Böden (S3 - S5) eingeschlossen, die auf ein wärmeres Klima schließen lassen und als Schwallenbach Interstadial I (39.000 - 38.000 vor Chr.), Schwallenbach Interstadial II (rund 32000 vor Chr) und Schwallenbach Interstadial III (30.500 vor Chr.) bezeichnet werden. Die obere Lößeinheit B (26.500 - 24.000 vor Chr.) zeigt eine Entwicklung zu kaltem und trockenem Klima. Die Lößeinwirkungen beginnen um 26.500 (KS6) nach ausgeprägten Kälteperioden mit Permafrost am Ende der Einheit C und verlaufen bis +/- 24.000 Jahren vor Chr., der Zeit von KS9 (Venusschicht).
Während der jüngeren Altsteinzeit (Jungpaläolithikum) wurden der heutige Ort Willendorf und die Hänge donauabwärts bis Schwallenbach von Eiszeitjägern begangen, wie die Spuren ihrer Lagerplätze demonstrieren. Neueste Datierungen ergaben, daß sich zwischen 42.000 und 24.000 vor Chr. immer wieder Cromagnon Sippen in jurtenartigen Zelten oder überdeckten Wohngruben hier aufhielten. Von sieben bekannten Fundstellen (zu denen 1929 und 1930 in Spitz an der Donau unter einem Gräberfeld der frühen Bronzezeit noch drei Kulturhorizonte der jüngeren Altsteinzeit auftauchten) ist die bedeutendste ein mit Willendorf II bezeichneter Bereich, der ab Juli 1908 und 1927 gegraben und 1955 nachuntersucht worden ist.
Durch die Bahnunterführung und dann rechts längs des Bahndammes aufwärts gelangt man zu einer Lößgrube und einer grasbewachsenen Wiesenterrasse, die heute längst abgegraben ist. Nur noch einige randliche Bereiche der einstigen Lagerplätze dürften noch bestehen. Aus 36 Radiokarbondaten wurde das Alter der Schichten gewonnen. Das altsteinzeitliche Geschehen spielte sich in der letzten Eiszeit (Würm) innerhalb eines Wechselspiels von warmen und kalten Klimageschehnissen ab, als schwere Sandstürme von den Alpengletschern feinen Geröll- und Geschiebesand als Löß an den Südabhängen der Wachau ablagerten.
Die tiefste Schicht (von der Fachwelt „Oberster Teil von D" bezeichnet) ist ein Fließerdekomplex aus Lößlehm mit Steinen und Holzkohle, 42.000 - 39.500 vor unserer Zeitrechung (Willendorfer Interstadial, 42.000 Jahre) entstanden und Wärmeschwankungen unterlegen. Damals bestand die Flora hier aus Fichte, Lärche und Nelkengewächsen. Es lebte eine Schneckenfauna mit hochsignifikanten wärmebedürftigen, waldbewohnenden Arten hier. Es herrschte mildes und feuchtes Klima mit offenem-halboffenem Bewuchs und kleinen Feuchtstellen. Dies war der vermutliche Bereich der Schicht K2 (Datierung: +/- 42.000), frühes Aurignacien, von der es nur wenig Funde gibt, deren Fauna aus Rothirsch, Steinbock und Wolf bestand.
Darüber folgt die Schicht KS3, ein durch Bodenfließen (Solifluktion) mehrfach aufgefächerter, brauner bis grauer Boden mit Aschenbändern und teils starken Holzkohlekonzentrationen 38.900 - 37.900 v. Chr. Frühes Aurignacien. (Schwallenbach Interstadial I, 39.000 - 38.000 v. Chr.). Es gab Wärmeschwankungen und eine gering ausgeprägte Steinindustrie mit Steinbearbeitungsgeräten. Die Fauna bestand aus Luchs, Rothirsch und Ren, die Flora aus Weiden, Fichten und Gänsefußgewächsen. Es fanden sich verkohlte Samen von Klee, Ampfer, Kuckuckslichtnelke und Laichkraut (Wasserpflanze). Die Schneckenfauna zeigt mittelfeuchtes und mäßig kühles Klima mit Rückgang von Laubholzbeständen zugunsten von Offenland.
Die darüber folgende Schicht KS4 ist ein schwach ausgeprägter, brauner Boden mit Holzkohleeinschlüssen. 32.100 - 31.200 vor Chr. Klassisches Aurignacien. (Schwallenbach Interstadial II, um 32.000 vor Chr). Es gab Wärmeschwankungen und eine ausgeprägte Steinindustrie mit Steinbearbeitungsgeräten, Geweih und Knochenspitzen. Man fand Feuerstellen, Elfenbeinstücke (u.a. Elfenbeinstab) und verzierte Röhrenknochen. Die Fauna bestand aus Rotfüchsen, Eisfüchsen, Steinböcken, Ren, Wisents (?), die Flora aus Kiefern, Fichten, Tannen. Die Schneckenfauna verweist auf kühles, feuchtes Klima. Es kam zur Einschränkung des Offenlandes zugunsten von anspruchslosen Gebüschen, Holzarten (Coniferen), feuchtigkeitsliebenden Kraut- und Hochstaudenfluren.
Über der Einheit C (ein etwa 1,5 m hohes Lößpaket, 39/ 38.000 - 28.600 vor Chr., mit teils extrem kalten Perioden und Wärmeperioden anzeigenden drei Böden) folgt die Schicht KS 5, ein dunkelbrauner, humoser durch Bodenfließen (Solifluktion) aufgeteilter Boden. Um 30.500 vor Chr. Frühes Gravettien. (Schwallenbach Interstadial III, um 30.500 vor Chr.). Wärmeschwankungen. Es fanden sich Feuerstellen, zusammengestellte Mammutstoßzähne, zahlreiche Steingeräte, Knochen- und Geweihprodukte, Schmuckstücke und Farbstoffe (Graphitbrocken). Die Fauna bestand aus Hasen, Wölfen, Rotfüchsen, Braunbären, Höhlenlöwen, Rothirschen (?), Ren, Steinböcken und Mammuts, die Flora aus Kiefern, Fichten, Tannen. Es gibt verkohlte Samen von Labkraut, Doldenblütlern und Wicke. Die Schneckenfauna verweist auf ein kühles, mittelfeuchtes Klima und halboffene Landschaft.
Die darüberfolgende Schicht KS6 ist 26.500 - 26.100 vor Chr. (Mittleres Gravettien) zu datieen. Es gab Feuerstellen, ausgeprägte Steingeräteindustrie, Tierzähne, Farbreste und gefärbten Knochenschmuck. Die Fauna bestand aus Wölfen, Braunbären, Höhlenlöwen, Ren und Steinböcken, die Flora aus Fichten, Kiefern (Rotföhre, Zirbelkiefer). Die Schneckenfauna zeigt kühles, feuchtes Klima mit offener Landschaft mit Buschgruppen und kleineren feuchtnassen Plätzen.
Die Schicht KS7 ist nicht mehr vorhanden. Sie muß ins mittlere Gravettien datiert werden. Es gab reichliche Steingeräteindustrie, Kochen- und Elfenbeinobjekte. Die Fauna bestand aus Rothirschen, Ren, Steinböcken, die Flora aus Holzkohlen von Kiefern und Fichten. Die Schneckenfauna läßt auf mittelfeuchtes, kühles Klima mit weitgehend offener Landschaft mit Büschen, Baumgruppen und Feuchtstellen schließen.
Die darauf folgende Einheit B ist eine etwa 3m hohe Lößeinheit (26.500 - 24.000 vor Chr.) aus teils ausgeprägtem kalten und trockenem Klima (jüngeres Pleniglazial bzw. Würm II) mit Löß-entstehung. Die Schneckenfauna zeigt im oberen Bereich ein trockenes und kaltes Klima mit geringer, vorwiegend krautiger Vegetation, im unteren Bereich mittelfeuchtes kühles Klima mit Busch- und Baumgruppen.
Der Bereich der Schicht KS8 beträgt im Löß nur fünf Zentimeter und ist nur geringfügig erkennbar (25.800 - 25.200 vor Chr. Mittleres Gravettien). Es fanden sich mehrere Feuerstellen, reichliche Steingeräte, Knochen- und Geweihobjekte, Elfenbeinanhänger. Die Fauna bestand aus Hasen, Wölfen, Rotfüchsen, Höhlenlöwen, Rothirschen, Ren, Steinböcken, Pferden und Mammuts, die Flora aus Fichten und Kiefern (Rotföhre, Zirbelkiefer). Die Schneckenfauna deutet auf ein kaltes, mäßig feuchtes Klima mit ausgedehnten trockenen Grasheiden mit Krautbeständen, einzelnen Büschen und Baumgruppen hin.
Die oberste Schicht KS9 („Venusschicht") schließlich ist 24.900 - 23.900 vor Chr. zu datieren (jüngeres Gravettien - „Willendorfien - Kostenkien"). Sie wird durch eingetiefte Feuerstellen, reichliche Steingeräteindustrie, Knochen- und Elfenbeinobjekten charakterisiert. Berühmt wurde sie durch zwei Frauenstatuetten „Venus I" ("Venus von Willendorf") und „Venus II" sowie „Venus III" (eine Rohplastik ?). Die Fauna bestand damals aus Steinadler, Wölfen, Rot- und Eisfüchsen, Braunbären, Vielfraßen, Höhlenlöwen, Rothirschen, Ren, Steinböcken, Pferden und Mammuts, die Flora aus Kiefern und Fichten. Die Schneckenfauna verweist auf trockenes kaltes Klima mit weitgehend offener Landschaft.

Univ.-Lektor Dr.Günther Berger

zurück zu teil 1     Return to top     zurück zu laherb